Eröffnungsrede von Dagmar Winkler
Ausstellung Europa Museum Schengen 2010

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Dominicus, liebe Lia!

Ich möchte Sie, natürlich auch im Namen von Jutta Mewes, ganz herzlich zur Ausstellungseröffnung, die den Titel „Dynamik der Farben – Gestaltungskraft in der Malerei – Werkschau 1999-2009“ trägt, begrüßen.
Erlauben Sie mir zunächst einen kurzen Exkurs zum Thema Farbe:
Vom Mittelalter bis zum Ende des 15. Jhdts. erfüllte Farbe, aufgrund der Kostbarkeit von Pigmenten, vorwiegend repräsentative Zwecke; uns ist das allen präsent z. B. aus der Tafel- oder Wandmalerei; nicht zuletzt aber aus der Buchmalerei. Die Sichtbarkeit der Farbe als Material ist lange Zeit noch nicht erwünscht. Allenfalls dient sie der Erzeugung optischer Effekte. So soll Rembrandt Besucher seines Ateliers davon abgehalten haben, seine Gemälde nahsichtig zu betrachten. Denn selbst seine virtuosesten Bearbeitungen der Farbmaterie als aufgeschichtete Inkrustationen, plastische Lichtpunkte und sandig wirkende Oberflächen schuldeten ausschließlich einer Illusion des immateriell sich im Auge bildenden Stoffs oder Gegenstands.

Zu Beginn des 18. Jhdts. kann man dann erstmals, thematisiert von der aufkommenden Kunstkritik, aber das auch nur ganz vorsichtig, von einer Verschiebung der Bedeutung von Farbe „von der Form zum Material hin“ sprechen. Schließlich wird die Disqualifizierung der materialbewussten Malerei in der Erfahrung der technischen und sozialen Auswirkungen der Industriellen Revolution weitgehend aufgehoben. Aus dieser Epoche datiert das Spätwerk William Turners. Er löst sich fast ganz vom Gegenstand, um Naturenergie im Dienst der Industrie und beschleunigtes visuelles Erleben zu vermitteln.
Im 20. Jhdt. schließlich emanzipiert sich Farbe von ihrer Bedeutung als Mittel von Formgebung. Die Bedeutung des Materials an sich tritt dominierend in den Vordergrund.

Sie fragen sich nun sicher, was hat all dies mit dem Werk von Jutta Mewes zu tun? Nun, Jutta Mewes hat sich im Verlauf ihrer künstlerischen Karriere mit der Bedeutungsgeschichte von Farbe sichtbar auseinandergesetzt. Und nicht nur mit ihrer Bedeutungsgeschichte. Darüber hinaus leben ihre Bilder von Einflüssen aus Farbtheorie - hier sei nur auf Goethes oder auf Rudolf Steiners Farbtheorie hingewiesen -, Farblehre und Farbgestaltung.
Jutta Mewes künstlerischer Weg führt dabei aber nicht zu spektakulären Aktionen mit Farbe wie das etwa Yves Klein in den 50er Jahren exemplarisch vorführt oder zu Aufschichtungen von Pollen zu leuchtenden Farbpyramiden wie bei Wolfgang Leib.
Der Weg der Künstlerin führt zur Auseinandersetzung mit monochromen Farbarbeiten von Künstlern wie z. B. Marc Rothko oder Barnett Newman. Hier kreiert sie ihren eigenen Weg und findet zur eigenen künstlerischen Handschrift.

Heute können wir für ihr Werk feststellen, dass ihre Bilder in ihrer Farbintensität wunderbar in den Raum hinein wirken und den Betrachter zur meditativen Rezeption anregen.

Ich Folgenden möchte ich Ihnen, drei ihrer Bilder näher erläutern.

Bei dem ersten Bild handelt es sich um eine kleine, fast monochrome, experimentelle Farbstudie. Sie stammt aus einem vier Bilder umfassenden Zyklus.

Jutta Mewes grundiert den hochformatig rechteckigen Malgrund des Bildes mit einem hellen warmen satten Lindgrün.

Darüber entfaltet sie ein nuancenreich harmonisches Spektrum von Ocker- und Gelbtönen, eingefasst in rechteckige oder quadratische Flächen. Diesen so gebildeten Farbklang durchbricht sie in der unteren Bildhälfte durch einige längliche dunkelgrüne Farbstreifen sowie durch ein kleines rostrotes Quadrat.
Innerhalb des so geschaffenen Farbraums verfolgt Jutta Mewes keinen räumlich-perspektivischen Illusionismus. An dessen Stelle tritt vielmehr eine optische Illusion. Denn die in Lasurtechnik Schicht um Schicht aufgetragenen Farbnuancen wirken wie feine, übereinander liegende Glasscheiben. Sie bilden im Auge des Betrachters den Raum der Imagination.

An dieser Stelle möchte ich Jutta Mewes zitieren: Zitat Anfang „Ich konzentriere mich in meinem Werk erst in zweiter Linie darauf, Abbildhaftes zu visualisieren; in allererster Linie erzeuge ich Farbklänge, die entweder abstrakt bleiben oder motivische Assoziationen entstehen lassen. Ich mache den Betrachter mit einer harmonisch-phantasievollen Farbwelt bekannt, die zu eigenen Emotionen und Interpretationen inspirieren soll.

Nun - vieles kann das Bild dem Betrachter vermitteln: Stabilität und Sicherheit – Ocker als Erdfarbe lässt uns dies assoziieren; Wärme und Geborgenheit – dafür steht das Gelb – und Lebendigkeit, denn Grün ist die Farbe des sich immer wieder neu kreierenden Lebens.
Ich selbst glaube in dem Bild eine Reihe von über- und ineinander verschachtelten Häuserfassaden zu erkennen. Ich fühle mich wohl, empfinde Ruhe, Stabilität und Sicherheit – eben das, was mir ein Haus auch vermitteln soll.
Das Bild veranlasst den Betrachter zur meditativen Rezeption. Der Bildraum wird zum Seelenraum.

Das zweite Bild, mit dem Titel „Griechenland 1“, das ich Ihnen nun vorstellen möchte, ist deutlich motivischer.

In dieser Arbeit geben das Blau im oberen Bildbereich und das lichte Orangegelb des Malgrundes dem hochformatig angelegten Bildgeschehen die Grundlage.
Darauf positioniert sich eine schmale hohe blaue Form in der Bildmitte, die durch ein helles Halbrund gekrönt ist. Flankiert wird die Figuration zu ihrer linken und rechten durch jeweils eine weitere schmale hohe Figuration in den Farben Gelbocker und Orange.



Dabei drängt das orangerote Rechteck expressiv in die Bildtiefe. Andeutungen von Balkonen evozieren Räumlichkeit und betonen die Dynamik der Figuration. Das linke hohe Rechteck in Gelbocker strebt ebenfalls in den Bildhintergrund. Die blaue Figuration besetzt den Bildvordergrund.

Auch hier hat Jutta Mewes ihr künstlerisches Augenmerk darauf gerichtet, dass die farbliche Umgebung, die räumlichen Beziehungen von Farbflächen und deren Größenverhältnisse, die Einhelligkeit und die Intensität der Farben harmonieren und einen dynamischen Farbklang bilden. Dieser beginnt eine Geschichte über seinen haptisch-materiellen Wert hinaus zu erzählen. Mir ist, als zöge ich einen Vorhang vom Bild, um einen Blick auf das sich dahinter befindende Geschehen zu werfen. Es entwickelt sich eine Vorstellung von Häusern, Dächern, einer Straße, die ins Dorf hinauf oder zum Meer hinabführt. Natur in Form von Zypressen und Wasser. Sie sind klar voneinander unterschieden, die unterschiedlichen Sachverhalte wie Häuser und Natur, obwohl sie nicht im Kontrast zueinander stehen. Eine Geschichte wird erzählt – eine Geschichte von sich ausbreitendem Licht, von Sonne, Wärme, von Entspannung, Weichheit, von Leben – eingefasst in den allumfassenden warmen Farbklang des Südens, der sich bildet aus gelb, blau, orange und grün.

In diesem Bild zeigt sich beispielhaft, wie wichtig für die Malerin die intensive Auseinandersetzung mit theoretischen und methodischen Überlegungen zum Werkstoff Farbe ist und welch großen Einfluss diese auf ihr Werk haben. Ganz besonders beeinflusst sie in den 90er Jahren der theoretische wie methodische Ansatz des italienischen Künstlers Beppe Assenza, dessen Malmethode sie studiert. Auf der Basis von dessen Theorie schärft sie ihr Empfinden für das Eigenleben der Farbe, beschäftigt sich mit deren dynamischen Qualitäten und bezieht sich darauf in ihren Bildkompositionen bezüglich Form, Fläche sowie Hell/Dunkel. All diese Aspekte bestimmen die eben beschriebe Arbeit.

In dem dritten Bild nun, das ich Ihnen zum Schluss vorstellen möchte, dem großformatigen Gemälde „Rheinfahrt 1’“, klingt an, wie bedeutsam die Natur für die Arbeit der Künstlerin ist. Sie gibt die Natur jedoch nicht abbildhaft wieder. Ihr geht es vielmehr um die Sichtbarmachung ihrer wesenhaften Erscheinung.



Alle Farbflächen, Linien und Figurationen auf der Leinwand sind in horizontale und vertikale Strukturen eingebettet. Diese bilden das kompositorische Grundgerüst.
Die sensualistische Wirkung der nachgebildeten Flusslandschaft wird verstärkt durch einen transparent hellen Farbauftrag von Himmel und Hügellandschaft im Bildhintergrund. Im Bildvordergrund wiederum machen die vertikal angelegten Strukturen mit pastosem Farbauftrag und dunkle Schraffuren den Nahbereich deutlich.
Die Malerin fängt durch das Schichten von übereinander aufgetragenen Farben die Wellenberge und Wellentäler, Brüche, Schichtungen und Furchen von naturhaften Vorgängen ein. Dabei bleibt die farbige Naturnähe von Wasser, Himmel, Stein und Erde erhalten.
Es assoziieren sich erdgeschichtliche Vorgänge, urzeitliche Landschaften im Werden und Vergehen – Zeit wird bedeutungslos.
Eine weitere Arbeit, in der sich das Bestreben der Künstlerin nach dem Erschaffen von Farbklängen zum Ausdruck bringt, die den Betrachter zu einer assoziativ gründenden Erkenntnis anregen.

Bevor ich zum Schluss meiner Rede komme, ist noch zu sagen, dass ein Großteil der hier gezeigten Arbeiten auf Reisen der Künstlerin entstanden ist. Ob sich um die kleine, fast monochrome, experimentelle Farbstudie handelt, sie im Tessin entstanden, ob um die Häuserformation, die Jutta Mewes nach Eindrücken einer Griechenlandreise gemalt hat oder um die Insel-, Berg- oder Flusslandschaft am Ufer des Rheins. Die in Dortmund arbeitende und lebende Malerin visualisiert im ihren Bild-Farbklängen auf eindrückliche Weise den jeweiligen Land-Farbklang.

Bleibt nur noch, sich bei allen Beteiligten zu bedanken: Zuvorderst gilt unser Dank Dominicus Rohde und Lia Villar de Rohde, die durch ihre freundliche Bereitschaft, die Räume des Museums zur Verfügung zu stellen, diese Ausstellung erst möglich gemacht haben. Allen weiteren Beteiligten, den ebenso professionell wie zuverlässigen und engagierten Helferinnen Katharina Setzner-Bach, Andrea Pieper oder Viktoria Waltz ebenfalls einen herzlichen Dank. Es hat viel Freude gemacht, das Museum mit so viel Unterstützung zu bespielen.

An dieser Stelle möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ein Gästebuch der Künstlerin ausliegt. Jutta Mewes würde sich über ihre Einträge und Adressangaben inkl. Ihrer Internetadresse freuen.

Vielen Dank!